Arduino und die Open-Hardware-Revolution
Die »Revolution der Zusammenarbeit«, die in den 1990er-Jahren mit Freier und Open Source Software begann,1 hat sich ein neues Gebiet erschlossen: Open Source Hardware. An vorderster Stelle dieser Revolution steht Arduino, ein globales Commons von Designern und Produzenten von Mikroprozessor-Platinen, dem Herzstück aller Computer. Ebenso wie Freie und Open-Source-Software kann diese Hardware frei kopiert, weitergegeben und nachgebaut werden. Weil die Platinen billig, aber vielseitig verwendbar sind, wird Arduino in vielen innovativen Projekten eingesetzt; etwa im argentinischen 3D-Drucker Kikai, mit dem bereits eine Armprothese für weniger als 50 US-Dollar produziert wurde, in Drohnen, oder in einer Plattform für Nanosatelliten, die weniger als 10 Kilogramm wiegen, und die ArduSat genannt wird.
Die Idee für Arduino hatten der Italiener Massimo Banzi und seine Kollegen David Cuartielles, Tom Igoe, Gianluca Martino und David Mellis. Was ursprünglich als Projekt für Studierende gedacht war, baute die Arduino-Gruppe 2005 zu einem Unternehmen aus, um günstige und gut durchdachte Computerplatinen für die Open Source Community leichter verfügbar zu machen. Für sie war es außerdem eine Möglichkeit, Künstlerinnen und Künstler sowie Ingenieurinnen und Ingenieure mit anderen Kreativen zusammenzubringen, um nach neuen, dem Gemeinwohl dienlichen Anwendungsbereichen zu suchen. Seit seiner Gründung ist Arduino zur Referenz für eine große, weltweite Bewegung für offene Innovation und Technologie geworden. Die Hardware-Entwürfe stehen unter der Lizenz Creative-Commons-Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen (CC-BY-SA). Die Software ist mit der GNU General Public License versehen.2 Während die technischen Anleitungen von allen frei kopiert werden können, hat das Projekt eine eigene Produktlinie unter dem Label Arduino AtHeart entwickelt. Durch den Verkauf von AtHeart-Produkten, kann das Unternehmen bestehen und trotzdem seinen Mitbewerbern erlauben, günstigere »Klone« nachzubauen. Arduino ist also offiziell ein Unternehmen, dessen Hauptkapital in seinem Markenzeichen, dem Namen und dem Logo besteht. Zwar kann jeder die Baupläne frei verwenden, wer sie jedoch unter dem Namen Arduino vertreiben will, muss dafür zahlen.
So paradox es scheint: Die Möglichkeit, dass andere die Baupläne frei verwenden können, schadet dem Geschäft nicht, weil diese Offenheit den Markt für die entsprechende Technologie ebenso vergrößert hat wie das Vertrauen in die Marke. Auch Massimo Banzi verdient sein Geld damit, dass er in seiner Design-Firma auf Arduino basierende Produkte an die Wünsche der Kunden anpasst. Neben Computerplatinen bietet Arduino auch selbstentwickelte Bausätze, Bauteile für elektronische Geräte, die in Kleidung oder Accessoires eingebaut sind und am Körper getragen werden, sogenannte »wearables«, sowie 3D-Drucker, Werkzeuge, Handbücher und Workshops an.
Heute gibt es eine große, globale Community von Arduino-Anwendern mit zahlreichen regionalen Netzwerken und Gruppen, die jeweils an Mikroprozessorplatten für spezifische Anwendungen basteln. Schon im Jahr 2011 schätzte der Journalist Philipe Torrone, der für das Make:magazine schreibt, dass mehr als 300.000 Arduino-Prozessoren »irgendwo da draußen unterwegs sind« und »mehr als eine halbe Million Menschen in irgendeiner Weise mit der Plattform zu tun haben, angefangen von Studierenden bis zu denen, die sich nicht einmal bewusst sind, dass sie diese offene Plattform verwenden«.
Wie in jeder großen Community von Open-Source-Programmierern, die um eine vielseitige Plattform herum entsteht, gibt es zahlreiche selbstorganisierte Untergruppen, die sich mit jeweils spezifischen Produkten und Anwendungenbeschäftigen. Dabei steht es den Technikern frei, ihre Zusammenarbeit selbst zu gestalten, die Technologie nach Belieben weiter zu entwickeln sowie die daraus entstehenden Produkte unter eigenem Markennamen zu verkaufen.
Unternehmen wie Technik-Enthusiasten sehen in der Open-Hardware-Plattform eine wichtige Infrastruktur für die Entwicklung einer neuen Ökonomie, die auf Kooperation und kollektivem Wissen aufbaut. Die Systeme sind nicht nur für uns vertraute Aufgaben wie die Fernsteuerung von Autos oder Haustüren geeignet, sondern sie haben auch großes Potenzial für die Produktion von billigen, aber leistungsstarken Smartphones, für Anlagen zur Sammlung, Aufbereitung und Verteilung von Wasser in abgelegenen Regionen oder für neue Systeme zur Erzeugung sauberer, erneuerbarer Energien.
Um aber das Potenzial offener Plattformen tatsächlich ausschöpfen zu können, ist es notwendig, das Wissen über die Möglichkeiten von Arduino in der Öffentlichkeit gezielter zu verbreiten. In dieser Hinsicht haben Arduino und andere offene Technologien noch einen weiten Weg zu gehen. Während mehrere Regierungen offene, digitale Technologien auf ihre Tagesordnung gesetzt haben, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Länder auch durch Informationstechnologien voranzutreiben, gib es kaum öffentliche Schulen, die das Potenzial der Open-Source-Prinzipien erkannt haben und das Wissen über Open-Source-Software und -Hardware an ihre Schülerinnen und Schüler weitergeben. Fast überall haben Regierungen und Schulen die Open-Source-Revolution verschlafen. Sie schließen lieber Verträge mit Unternehmen wie Microsoft, Oracle oder SAP und kaufen dann deren proprietäre Software, um ihre Schülerinnen und Schüler damit und darin zu unterrichten. Auch das öffentliche Beschaffungswesen ist in dieser Hinsicht blind. Zudem hat sich die Software-Industrie jeglichen Versuchen von Regierungen und internationalen Institutionen, standardmäßig quelloffene Software einzufordern, aggressiv widersetzt. Heute geben Regierungen routinemäßig Milliarden Dollar jährlich aus, um sich über die Software-Nutzungslizenzen an die Technologie großer Konzerne zu binden, anstatt Open-Source-Technologien einzufordern und zu unterstützen, um so den Wettbewerb anzuregen, die Preise zu senken und die Abhängigkeit von proprietären Anbietern zu verhindern.
Es gibt jedoch auch einige Lichtblicke. So wurde etwa ein globaler Roboter-Wettbewerb namens RoboCup für Schulen (inklusive Grundschulen) ausgeschrieben, bei dem in mehreren Wettbewerbsrunden Arduino-Bausätze für den Bau und die Programmierung der Roboter verwendet wurden.3 Einige große Unternehmen wie Intel oder MediaTek mit ihren eigenen, proprietären Mikroprozessoren haben entschieden, Produkte zu entwickeln, die mit Arduino-Plattformen kompatibel sind, und damit deren Anwendungsbereich und Attraktivität erhöht. Die Regierungen haben es jedoch bislang versäumt, Arduino und andere Open-Source-Technologien als Schwerpunkt ihrer Arbeit zu begreifen und das Thema in ihre Bildungsprogramme zu integrieren. Besonders kleinere Volkswirtschaften, die ansonsten von teuren ausländischen Technologien mit restriktiven Urheberrechten abhängen, könnten davon profitieren.
Arduino ist eines jener seltenen Commons, bei denen es gelang, stabile kooperative Beziehungen zu erhalten und gleichzeitig am Markt erfolgreich zu sein. Sein Ansatz offener Technologie hat die Innovation in Sachen Computer-Hardware deutlich vorangetrieben und zugleich die wirtschaftlichen Möglichkeiten für Millionen Menschen verbessert.
1 | Siehe dazu unter anderem den Beitrag von Mike Linksvayer in diesem Buch (Anm. der Hg.).
2 | Vgl. den Beitrag von David Bollier: Neues vom Bewährten. Warum Commons-Lizenzen erfolgreich sind, in diesem Buch.
3 | Siehe: www.robocup.org (Zugriff am 14. Mai 2015).