»Höchst merkwürdige Sitten«
Der vorliegende Text ist ein Auszug aus dem Kapitel »III. Wirtschaftsgeschichtliches (I)« in Rosa Luxemburgs Einführung in die Nationalökonomie. Das gesamte Werk liegt als unvollendetes Manuskript vor. Ursprünglich, sollte die Einführung in den Jahren 1909/1910 herausgegeben werden. Doch heftige Debatten innerhalb der Arbeiterbewegung hinderten Luxemburg an der Fertigstellung. Erst während des ersten Weltkrieges, 1916, nahm Rosa Luxemburg im Gefängnis die Arbeit daran wieder auf. Sie bemühte sich um Veröffentlichung durch sozialdemokratische Verleger, was jedoch fehlschlug, so dass das Fragment erstmals 1925 erschien. Ihr handschriftliches Manuskript war Dank der Umsicht von Professor Dr. Jürgen Kuczynski vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten bewahrt geblieben. Es war Grundlage der in der DDR herausgegebenen Gesamtausgabe (1995), die wiederum Grundlage der Online-Veröffentlichung war, die hier benutzt wurde.
Die Kürzung folgte dem Grundgedanken, nachvollziehbar zu machen, wie sich Erkenntnisse der Wirtschaftsgeschichte Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Befund verdichteten, der keiner spezifischen Kultur oder Tradition allein zugeschrieben werden konnte. Zudem wurden jene Passagen ausgewählt, die das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Grundkonzeptionen von Recht, Besitz und Eigentum im Kontext des Kolonialismus in den Blick nehmen. Der vollständige Text ist auch im Internet zugänglich (siehe Literaturangabe).
In den Jahren 1851 bis 1853 erschien in Erlangen das erste der epochemachenden Werke Georg Ludwig von Maurers, die »Einleitung zur Geschichte der Mark, Hof, Dorf und Stadt-Verfassung und der öffentlichen Gewalt«, die ein neues Licht auf die germanische Vergangenheit und auf die soziale und ökonomische Struktur des Mittelalters warf. Schon seit einigen Jahrzehnten war man an einzelnen Orten, bald in Deutschland, bald in den nordischen Ländern, auf der Insel Island, auf merkwürdige Überbleibsel uralter ländlicher Einrichtungen gestoßen, die auf das ehemalige Bestehen eines Gemeineigentums an Grund [und] Boden an jenen Orten, eines Agrarkommunismus hinwiesen. Man wußte jedoch zunächst diese Überbleibsel nicht zu deuten. […] Erst von Maurer faßte alle diese Einzelentdeckungen in einer kühnen, großangelegten Theorie zusammen und wies auf Grund enormen Tatsachenmaterials und gründlichster Forschungen in alten Archiven, Urkunden, Rechtsinstitutionen endgültig nach, daß das Gemeineigentum an Grund und Boden nicht erst im späteren Mittelalter entstanden war, sondern überhaupt die typische und allgemeine uralte Form der germanischen Ansiedlungen in Europa von allem Anfang an war. Vor zweitausend Jahren also und noch früher, in jener grauen Vorzeit der germanischen Völker, von denen die geschriebene Geschichte noch nichts weiß, herrschten bei den Germanen Zustände, die von den heutigen grundverschieden waren. Kein Staat mit geschriebenen Zwangsgesetzen, keine Spaltung in Reiche und Arme, Herrschende und Arbeitende waren damals unter den Germanen bekannt. Sie bildeten freie Stämme und Geschlechter, die lange in Europa umherwanderten, bis sie sich erst zeitweise, schließlich dauernd ansiedelten. Die erste Kultivierung des Landes ist nämlich in Deutschland, wie von Maurer nachwies, nicht von einzelnen, sondern von ganzen Geschlechtern und Stämmen ausgegangen […].
Dabei nahm je ein Stamm und in jedem Stamme je ein Geschlecht ein bestimmtes Gebiet ein, das dann allen Betreffenden insgemein gehörte. Mein und Dein kannten die alten Germanen in bezug auf den Grund und Boden nicht. Jedes Geschlecht bildete vielmehr bei der Ansiedlung eine sogenannte Markgenossenschaft, die gemeinsam das ganze ihr zugehörige Gebiet bewirtschaftete, einteilte und bearbeitete. Der einzelne bekam durch Auslosung einen Ackeranteil, der ihm nur für bestimmte Zeit zur Benutzung überlassen wurde, wobei strengste Gleichheit der Bodenanteile beobachtet war. Alle wirtschaftlichen, rechtlichen und allgemeinen Angelegenheiten einer solchen Markgenossenschaft, die zugleich meist eine Hundertschaft der waffenfähigen Männer bildete, wurden von der Versammlung der Markgenossen selbst geregelt, die auch den Markvorsteher und die anderen öffentlichen Beamten wählte.
Nur in Gebirgen, Wäldern oder Marschgegenden, wo Mangel an Raum oder kultivierbarem Land eine größere Ansiedlung unmöglich machte, wie zum Beispiel im Odenwald, in Westfalen, in den Alpen, siedelten sich die Germanen in Einzelhöfen an. Jedoch bildeten auch diese eine Genossenschaft unter sich, wobei zwar nicht das Feld, wohl aber Wiese, Wald und Weide Gemeineigentum des ganzen Dorfes, die sogenannte Allmende, bildete und alle öffentlichen Angelegenheiten durch die Markgenossenschaft erledigt wurden.
Der Stamm als Zusammenfassung vieler, meist hundert solcher Markgenossenschaften trat vorwiegend nur als oberste richterliche und militärische Einheit ins Werk. Diese markgenossenschaftliche Organisation bildete […] die Grundlage, gleichsam die kleinste Zelle des ganzen sozialen Gewebes vom frühesten Mittelalter bis in die spätere Neuzeit hinein, so daß sich die feudalen Fronhöfe, Dörfer und Städte in verschiedenen Modifikationen aus jenen Markgenossenschaften herausgebildet haben, deren Trümmer wir bis auf den heutigen Tag in einzelnen Gegenden Mittel und Nordeuropas vorfinden.
Als die ersten Entdeckungen des uralten Gemeineigentums an Grund und Boden in Deutschland und in den nordischen Ländern bekannt wurden, da kam die Theorie auf, hier sei man einer besonderen, spezifisch germanischen Einrichtung auf die Spur gekommen […]. Doch kamen fast zu gleicher Zeit mit dem ersten Maurerschen Werke […] neue Entdeckungen auf einem ganz anderen Teil des europäischen Kontinents ans Licht. 1847 bis 1852 veröffentlichte in Berlin der westfälische Baron von Haxthausen, der anfangs der vierziger Jahre auf Wunsch des russischen Kaisers Nikolaus I. Rußland bereist hatte, seine »Studien über die inneren Zustände, das Volksleben und insbesondere die ländlichen Einrichtungen Rußlands«. Aus diesem Werke erfuhr die erstaunte Welt, daß im Osten Europas noch in der Gegenwart ganz analoge Einrichtungen bestanden. […] In dem erwähnten wie in einem späteren, 1866 in Leipzig erschienenen Werke über »Die ländliche Verfassung Rußlands« wies von Haxthausen nach, daß die russischen Bauern in bezug auf die Äcker, Wiesen und Wälder kein Privateigentum kennen, daß das ganze Dorf als Eigentümer desselben gilt, die einzelnen Bauernfamilien aber nur zur zeitweisen Benutzung Ackerparzellen kriegen, die sie auch – ganz wie die alten Germanen – auslosen. In Rußland herrschte zur Zeit, als Haxthausen das Land bereiste und erforschte, die Leibeigenschaft in voller Kraft, um so frappanter war auf den ersten Blick die Tatsache, daß unter der eisernen Decke einer harten Leibeigenschaft und eines despotischen Staatsmechanismus das russische Dorf eine kleine abgeschlossene Welt für sich darbot mit Landkommunismus und genossenschaftlicher Erledigung aller öffentlichen Angelegenheiten durch die Dorfversammlung, den Mir1. Der deutsche Entdecker dieser Eigentümlichkeiten erklärte die russische Landgemeinde als ein Produkt der uralten slawischen Familiengenossenschaft, wie wir sie noch bei den Südslawen in den Balkanländern vorfinden und wie sie in den alten russischen Rechtsbüchern noch im 12. Jahrhundert und später in voller Kraft besteht. […]
Inzwischen kam ein anderes Moment in der Geschichte der europäischen Nationen hinzu, daß sie mit neuen Weltteilen in Berührung […] und […] uralte Kulturformen sehr fühlbar zum Bewußtsein brachte bei Völkern, die weder zum germanischen noch zum slawischen Völkerkreis gehörten. Diesmal handelte es sich nicht um wissenschaftliche Forschungen und gelehrte Entdeckungen, sondern um faustdicke Interessen kapitalistischer Staaten Europas und ihre Erfahrungen in der praktischen Kolonialpolitik. Im 19. Jahrhundert, im Zeitalter des Kapitalismus, hatte die europäische Kolonialpolitik neue Bahnen eingeschlagen. Es handelte sich nicht mehr, wie im 16. Jahrhundert bei dem ersten Sturm auf die Neue Welt, um rascheste Ausplünderung der Schätze und Naturreichtümer der neuentdeckten tropischen Länder […]. Auch nicht mehr bloß um mächtige Handelsgelegenheiten […]. Jetzt handelte es sich neben jenen älteren Methoden der Kolonisation, die gelegentlich bis auf den heutigen Tag im Flor stehen und nie aus der Übung gekommen sind, auch noch um eine neue Methode mehr nachhaltiger und systematischer Ausbeutung der Bevölkerung der Kolonien zur Bereicherung des »Mutterlandes«. Hierzu sollte zweierlei dienen: einmal die tatsächliche Besitzergreifung des Grund und Bodens als der wichtigsten materiellen Quelle des Reichtums jedes Landes und ferner die ständige Besteuerung der breiten Masse der Bevölkerung. Bei diesem doppelten Bestreben nun mußten die europäischen Kolonialmächte in allen exotischen Ländern auf ein merkwürdiges felsenhartes Hindernis stoßen, und dies war die eigenartige Eigentumsverfassung der Eingeborenen, die der Ausplünderung durch die Europäer den hartnäckigsten Widerstand entgegensetzte. Um den Grund und Boden aus den Händen ihrer bisherigen Eigentümer zu reißen, mußte man vorerst feststellen, wer der Eigentümer des Grund und Bodens war. Um Steuern nicht bloß aufzuerlegen, sondern auch eintreiben zu können, mußte man die Haftbarkeit der Besteuerten feststellen. Hier stießen nun die Europäer in ihren Kolonien auf ihnen völlig fremde Verhältnisse, die alle ihre Begriffe von der Heiligkeit des Privateigentums direkt auf den Kopf stellten. Dies war gleichermaßen die Erfahrung der Engländer in Südasien wie der Franzosen in Nordafrika.
Gleich zu Anfang des 17. Jahrhunderts begonnen, endete die Eroberung Indiens durch die Engländer nach schrittweiser Einnahme der ganzen Küste und Bengalens erst im 19. Jahrhundert mit der Unterwerfung des wichtigsten Fünfstromlandes im Norden. Nach der politischen Unterwerfung begann aber erst das schwierige Werk der systematischen Ausbeutung Indiens. Die Engländer erlebten dabei auf Schritt und Tritt die größten Überraschungen: Sie fanden verschiedenartigste große und kleine Bauerngemeindenn, die seit Jahrtausenden auf dem Boden saßen, Reis bauten und in stillen, geordneten Verhältnissen lebten, aber – o Graus! – nirgends fand sich in diesen stillen Dörfern ein Privateigentümer des Grund und Bodens. Wen man auch packte, keiner durfte das Land oder die von ihm bearbeitete Landparzelle sein nennen, also auch nicht verkaufen, verpachten, verschulden, für rückständige Steuern verpfänden. […] »Wir sehen«, hieß es im Bericht der englischen Steuerbehörde aus Indien vom Jahre 1845, »keine ständigen Anteile. Jeder besitzt den bebauten Anteil nur so lange, wie die Ackerbauarbeiten dauern. Wird ein Anteil unbebaut gelassen, so fällt er ins Gemeindeland zurück und kann von jedem anderen genommen werden unter der Bedingung, daß er bebaut wird.«[1] Um dieselbe Zeit meldet ein Regierungsbericht über die Verwaltung im Pandschab (Fünfstromland) für 1849 bis 1851: »Es ist höchst interessant zu beobachten, wie stark in diesem Gemeinwesen das Gefühl der Blutsverwandtschaft und das Bewußtsein der Abstammung vom gemeinsamen Ahnen ist. Die öffentliche Meinung beharrt so streng auf der Beibehaltung dieses Systems, daß wir nicht selten sehen, wie Personen, deren Vorfahren während einer oder selbst zweier Generationen gar keinen Anteil an dem Gemeinbesitz nahmen, zu demselben zugelassen werden.«[2]
»Bei dieser Form des Grundbesitzes«, schrieb der Bericht des englischen Staatsrats über die indische Geschlechtsgemeinde, »kann kein Mitglied des Clans (Geschlechts) ausweisen, daß ihm dieser oder jener Teil des Gemeindelandes nicht bloß zu eigen, sondern auch nur zu zeitweiliger Benutzung gehört. Die Produkte der gemeinsamen Wirtschaft werden in eine gemeinsame Kasse getan, und daraus werden alle Bedürfnisse bestritten.«[3] […] In der nordwestlichen Ecke des Fünfstromlandes, hart an der Grenze Afghanistans, fanden sich andere höchst merkwürdige Sitten, die jedem Begriff von Privateigentum hohnsprachen. Hier wurden zwar die Äcker geteilt und auch periodisch umgetauscht, aber – o Wunder! – es tauschten nicht einzelne Bauernfamilien ihre Losanteile untereinander, sondern ganze Dörfer tauschten alle fünf Jahre ihre Ländereien um, wobei ganze Dorfschaften umwanderten. »Ich darf«, schrieb der englische Steuerkommissar James aus Indien im Jahre 1852 an seine vorgesetzte Regierungsbehörde, »eine höchst eigenartige Sitte nicht verschweigen, die sich bis jetzt in gewissen Gegenden erhalten hat: ich meine den periodischen Austausch der Ländereien zwischen den einzelnen Dörfern und ihren Unterabteilungen. In einigen Bezirken werden nur Äcker ausgetauscht, in anderen selbst die Wohnhäuser.«[4] […]
Erst in einem jahrzehntelangen Kampf gelang es ihnen (den Engländern – Anm. der Hg.) unter allerlei Gewaltstreichen, Unredlichkeiten, skrupellosen Eingriffen in alte Rechte und herrschende Rechtsbegriffe des Volkes, eine heillose Verwirrung aller Eigentumsverhältnisse, allgemeine Unsicherheit und den Ruin der großen Bauernmasse herbeizuführen. Die alten Bande wurden gesprengt, die stille Weltabgeschiedenheit des Dorfkommunismus zerrissen und durch Hader, Zwietracht, Ungleichheit und Ausbeutung ersetzt. Enorme Latifundien einerseits, eine enorme Millionenmasse mittelloser bäuerlicher Pächter andererseits waren das Ergebnis. Das Privateigentum feierte den Einzug in Indien und mit ihm der Hungertyphus und der Skorbut als ständige Gäste in den Niederungen des Ganges. Bei den viehzüchtenden arabischen Nomaden war der Grund und Boden Eigentum der Geschlechter. Dieses Geschlechtseigentum, schrieb der französische Forscher Dareste im Jahre 1852, geht von Generation zu Generation, kein einzelner Araber kann auf ein Stück Land weisen und sagen: Dies ist mein.
Bei den Kabylen, die sich ganz arabisiert hatten, waren die Geschlechterverbände bereits stark in einzelne Zweige zerfallen, doch blieb noch die Macht der Geschlechter groß: Sie hafteten solidarisch für Steuern, sie kauften gemeinsam Vieh ein, das zur Verteilung unter die Familienzweige als Nahrung bestimmt war, in allen Streitfragen um Bodenbesitz war der Geschlechterrat oberster Schiedsrichter, zur Ansiedlung in der Mitte der Kabylen war für jeden die Einwilligung der Geschlechter erforderlich, auch über unbebaute Ländereien verfügte der Rat der Geschlechter. Als Regel gab er das ungeteilte Eigentum der Familie, die nicht im heutigen europäischen Sinne einen einzelnen Ehestand umfaßte, sondern eine typisch patriarchalische Familie war, wie sie uns von den alten Israeliten in der Bibel geschildert wird – ein großer Verwandtschaftskreis, der aus Vater, Mutter, Söhnen, deren Frauen, Kindern und Enkeln, Onkeln, Tanten, Neffen und Vettern bestand. In diesem Kreise, sagt ein anderer französischer Forscher, Letourneau, im Jahre 1873, verfügt gewöhnlich über das ungeteilte Eigentum das älteste Familienmitglied, das jedoch zu diesem Amt von der Familie gewählt wird und in allen wichtigeren Fällen, insbesondere über Verkauf und Ankauf des Grund und Bodens, den gesamten Familienrat befragen muß. […]
Die in ganz Europa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschende englische Schule (der Nationalökonomie – Anm. der Hg.) Smith-Ricardos stellte rundweg die Möglichkeit eines Gemeineigentums an Grund und Boden in Abrede. Genauso wie ehemals die rohe Ignoranz und Borniertheit der ersten spanischen, portugiesischen, französischen und holländischen Eroberer in dem neuentdeckten Amerika den Agrarverhältnissen der Eingeborenen völlig verständnislos gegenüberstand und bei der Abwesenheit der Privateigentümer das ganze Land einfach für »Eigentum des Kaisers«, für fiskalisches Land erklärte, so verfuhren auch im Zeitalter der bürgerlichen »Aufklärung« die größten Leuchten der nationalökonomischen Gelehrsamkeit. […] Und ein Medizindoktor der Fakultät von Montpellier, Herr François Bernier, der die Länder des Großmoguls in Asien bereist und im Jahre 1699 in Amsterdam eine sehr bekannte Beschreibung dieser Länder veröffentlicht hat, ruft entrüstet: »Diese drei Staaten: Türkei, Persien und Vorderindien, haben den Begriff selbst von Mein und Dein in Anwendung auf den Grundbesitz vernichtet, einen Begriff, der die Grundlage alles Guten und Schönen in der Welt ist.«[6] Genau derselben groben Unwissenheit und Verständnislosigkeit für alles, was nicht nach kapitalistischer Kultur aussah, befleißigte sich im 19. Jahrhundert der Gelehrte James Mill, Vater des berühmten John Stuart Mill, als er in seiner Geschichte Britisch-Indiens schrieb: »Auf Grund aller von uns betrachteten Tatsachen können wir nur zu dem einen Schlusse gelangen, daß das Grundeigentum in Indien dem Herrscher zukam; denn wollten wir annehmen, daß nicht er der Grundeigentümer war, so wären wir nicht imstande zu sagen: Wer war denn Eigentümer?«[7] Daß das Eigentum an Grund und Boden einfach den ihn seit Jahrtausenden bearbeitenden indischen Bauerngemeinden gehörte, daß es ein Land, eine große Kulturgesellschaft geben konnte, in der der Grund und Boden kein Mittel der Ausbeutung fremder Arbeit, sondern bloß Existenzgrundlage der Arbeitenden selbst war, das wollte in das Hirn eines großen Gelehrten der englischen Bourgeoisie absolut nicht hinein. Diese fast rührende Beschränktheit des geistigen Horizonts auf die vier Pfähle der kapitalistischen Wirtschaft bewies nur, daß die offizielle Wissenschaft der bürgerlichen Aufklärung ein unendlich geringeres Augenmaß und kulturhistorisches Verständnis hat als fast zweitausend Jahre zuvor die Römer […].
Redaktionelle Anmerkungen der Herausgeber der Erstausgabe
[1] Zit. nach: M. Kowalewski: Obstschinnoje semlewladenije, pritschiny, chod i podsledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879, S. 81.
[2] Zit. nach: ebd., S. 78.
[3] Zit. nach: ebd., S. 78.
[4] Zit. nach: ebd., S. 81/82.
[6] Zit. nach: ebd., S. 158.
[7] Zit. nach: ebd., S. 159.
Literatur
Luxemburg, R. (1975[1909/1910]): Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Band 5, Berlin/DDR, »Einführung in die Nationalökonomie«, S. 594ff., www.jpmarat.de/deutsch/rl/lu05_593.html (Zugriff am 30. März 2015).
1 | »Mir« bedeutet auch Frieden (Anm. der Hg.).