Kreativ, innovativ, offen
Technologielabore im Netzwerk Otelo
Die Entwicklung Otelos – dem internationalen Netzwerk der offenen Technologielabore – ist die Geschichte einer Gruppe, die im ländlichen Raum kreative Menschen zusammenbringt und mit ihnen eine neue Innovationskultur entstehen lässt. Die Gruppe entstand 2009. Ich, Martin Hollinetz, damals Leiter des Regionalmanagements in den oberösterreichischen Bezirken Vöcklabruck und Gmunden, war mit den sogenannten »Top-down-Regionalentwicklungsstrategien« von EU, Bund und Ländern mehr als unzufrieden. Partizipation galt dort in der Regel als unwillkommene Einmischung in die Arbeit des Establishments. Es fehlte sowohl an Infrastruktur als auch an Organisationsmodellen für eine von Kreativität und Freiräumen getragene Innovationskultur: eine Kultur, in der Offenheit, Teilen und Kooperation eine neue partizipative Regionalentwicklung ermöglichen sollte.
Wir begaben uns auf die Suche und wurden in den damals bereits etablierten Gemeinschaftswerkstätten, FabLabs und Hackspaces der Ballungszentren fündig. In Räumen also, in denen sich technologieaffine Menschen, Hacker sowie an Wissenschaft oder digitaler Kunst Interessierte austauschen und wo sie gemeinsam Neues produzieren konnten. Diese Räume schienen jedoch für den ländlichen Raum gänzlich ungeeignet, weil sie zu eng auf spezielle Zielgruppen zugeschnitten waren. In einer Machbarkeitsstudie zeigte sich zudem, dass die Zusammenarbeit mit Menschen aus der regionalen Wirtschaft, aus Bildung, Medienlandschaft oder Politik für die Verankerung in der Region wichtig werden würde. Darüber hinaus wollten wir eine Struktur schaffen, die uns nicht in finanzielle Abhängigkeit bringt – ein Aspekt, der uns für die Otelo-Idee als ganz wesentlich erschien.
Initiieren und Inspirieren
In der Folge starteten 2010 die ersten »Otelos«, die ersten offenen Technologielabore, in Kooperation mit den Städten Vöcklabruck und Gmunden. Die Infrastruktur wurde von den Kommunen durch einen Gemeinderatsbeschluss für mindestens drei Jahre zur Verfügung gestellt. Mittlerweile haben viele Gemeinden die Nutzungsverträge unbefristet verlängert. Damit war eine erste Anforderung für die angestrebte Unabhängigkeit erfüllt. Für die Organisation der Standorte suchten wir in den jeweiligen Gemeinden nach Menschen, die Lust hatten, die Gestaltung der Otelos gemeinsam zu starten und zu gestalten. Pro Standort fanden sich mindestens fünf Mitglieder mit Freude am gastgeben und vernetzen. Dieses Prinzip der ehrenamtlichen Standortorganisation hat sich bis heute bewährt. Diese Gruppe behält neue Trends im Auge und ermöglicht Experimente für so unterschiedliche Zielgruppen wie Kinder, landwirtschaftlich Interessierte, Menschen aus den Bereichen »Kulturvernetzung«, »Mechatronik«, »Spieleentwicklung« und viele andere mehr. Von der Konstruktion autonomer Spinnenroboter über Hochbeetebau bis zu Seifensieden und Recyclingschmuck brachte dies Gruppen zueinander, die eines gemeinsam hatten: Spaß am Teilen von Wissen und Erfahrungen sowie am gemeinsamen Tun.
Begeistern und Ermöglichen
Zudem wurden bald erste Otelo-Jam-Sessions und -DenkBars angeboten – offene Treffen, die nicht von wissensvermittelnden Expertinnen und Experten dominiert waren, sondern in denen die durch das gemeinsames Interesse entstandene Gruppe gemeinsam ein Thema weiterentwickeln konnte. Doch auch dabei sollte es nicht bleiben. Um in vertiefende Experimente gehen zu können, entwickelten wir im Rahmen eines geförderten Kreativwirtschafts-Projektes das »Node-Modell«. Dieses Modell ermöglichte es Gruppen, längerfristig, kostenfrei und ohne Ergebnisdruck Raum in den Laboren zu nutzen. Einzige Gegenleistung für die Gemeinschaft war und ist bis heute, dass Wissen und Erfahrungen geteilt und Möglichkeiten zur Beteiligung an den Entwicklungen geboten werden. Da gibt es Menschen, die Teslaspulen zum Musizieren bauen, mit Licht malen, kommunale Energiesparprojekte entwickeln oder neue Formen von Konsumenten-Produzenten-Partnerschaften (»Prosumer«) für die Lebensmittelversorgung organisieren. Das Bedeutsame dabei ist: Sie kommen aus sehr unterschiedlichen Kontexten und würden sich im »normalen« Leben nie begegnen.
Dazugehören und wachsen dürfen
Was 2010 als Experiment begann, wurde 2012 mit zwei weiteren Standorten zur ersten großen Herausforderung für den Verein. Schnell wurde klar, dass eine Dezentralisierung not tat, um die Lebendigkeit und unsere Entscheidungsfähigkeit zu erhalten. Es wurde die Idee diskutiert, lokale Vereine zu gründen. Die Entscheidung, dies auch zu tun, lag bei den einzelnen Standorten. Heute gibt es diese Vereine – mit der Otelo-Charta als dem vernetzenden Element. Sie umreißt unsere Innovationskultur, formuliert die grundlegende Haltung aller Otelo-Standorte und verbindet sie so miteinander. Damit war die Grundlage für die weiteren Entwicklungen gelegt. Die Vereine bilden heute die Basis des Netzwerkes. Sie treffen sich halbjährlich und beteiligen sich an standortübergreifenden Aktivitäten. Ende 2014 gibt es bereits 26 »Nodes« an 11 Standorten in Österreich und Deutschland, die sich in Kunsthandwerk, Elektronik, 3D-Druck, alternative Bildungsansätze, gemeinsames Spielen und Tanzen, freie Medienproduktion, Gestaltung neuer Arbeitsformen und anderes vertiefen. Alle in den Laboren entwickelten Ideen und Projekte stehen entweder unter CC-Lizenz oder werden anhand von Workshops oder Dokumentationen allen Interessierten frei zur Verfügung gestellt, ganz nach dem Motto: Wissen ist Commons!